AfD im Bundestag
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Horst Willenberg
Essen und Bielefeld
* 1954
Künstlerisch tätig seit 1968
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Ein Spannungsfeld demokratischer Prinzipien

 

Der vorliegende Text analysiert die gegenwärtige Situation und die damit verbundenen Herausforderungen im Umgang mit der AfD im Deutschen Bundestag. Im Fokus steht die Frage, wie demokratische Rechte gewahrt werden können, wenn eine Fraktion von annähernd 25 % – die AfD – trotz der Ablehnung aller anderen Fraktionen in den parlamentarischen Alltag integriert wird.

 

Zum aktuellen Kräfteverhältnis im Bundestag, die Sitzverteilung nach der letzten Bundestagswahl:

CDU/CSU (208), AfD (152), SPD (120), Bündnis 90/Die Grünen (85), Die Linke (64), SSW (1).

Dies resultiert in einer potenziellen Regierungskoalition von 328 Mandaten und einer Opposition von 302 Mandaten. Für eine Zweidrittelmehrheit wären 420 Mandate, für eine einfache Mehrheit 316 Mandate erforderlich.

 

Spannung zwischen Repräsentation und Isolation

Bislang galt das Prinzip der "Keine Toleranz den Intoleranten". Die AfD hat sich jedoch durch Wahlergebnisse und Umfragen als zweitstärkste Fraktion etabliert. Daraus ergibt sich ein Spannungsfeld: Während alle im Bundestag vertretenen Parteien eine Kooperation mit der AfD ablehnen, erfordert die proportionale Besetzung von Bundestagsausschüssen und anderen Gremien die Einbindung der AfD, was ihr trotz der politischen Isolation erheblichen Einfluss sichert.

 

Das aktuelle Kräfteverhältnis – CDU/CSU (ca. 33 %), AfD (ca. 24,1 %), SPD (ca. 19 %), Grüne (ca. 13,5 %), Die Linke (ca. 10,2 %), SSW (ca. 0,16 %) – führt dazu, dass fast ein Viertel der Abgeordneten (AfD) trotz der klaren Ablehnung durch die übrigen Parteien, in sämtliche parlamentarischen Organe einzubinden wäre. Dies birgt die Gefahr, zumindest in sensiblen Bereichen, die Qualität und Akzeptanz der parlamentarischen Arbeit zu beeinträchtigen.

 

Demokratische Legitimität und parlamentarische Stimme

Die Frage, ob es demokratisch gerechtfertigt ist, einer Fraktion, die beinahe ein Viertel der Wählerstimmen repräsentiert, ihre parlamentarische Teilhabe zu entziehen oder sie gänzlich aus dem parlamentarischen Alltag auszuschließen, stellt sich somit immer dringlicher.

 

Prüfung von Anpassungen der Geschäftsordnung

Eine erste, vorläufige Prüfung, ob die Geschäftsordnung des Bundestages so geändert werden kann, dass Abgeordnete mit Zweidrittelmehrheit als extremistisch oder demokratiegefährdend eingestuft und aus wichtigen Gremien abberufen werden dürfen, würde voraussichtlich – und aus gutem Grund – vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern. Siehe: Zu: AfD im Bundestag. Bleibt die Frage, welche  Regelung könnte einen Schutzmechanismus darstellen, ohne das fundamentale Prinzip der Repräsentation zu untergraben.

 

Die Balance zwischen Repräsentation und Stabilität

In einer Demokratie muss jede politische Kraft, die einen signifikanten Teil der Wählerschaft vertritt, grundsätzlich im Parlament repräsentiert sein – unabhängig von der Koalitionsbereitschaft anderer Parteien. Die zentrale Herausforderung besteht darin, die Balance zwischen dem Prinzip der Repräsentation und der Notwendigkeit, die Stabilität demokratischer Institutionen zu gewährleisten, zu finden.

 

Ein wirksamer Schutzmechanismus darf nicht zur Gesinnungsprüfung per Mehrheitsentscheid werden. Wer Extremismus bekämpfen will, darf nicht das Fundament demokratischer Repräsentation untergraben. Statt willkürlicher Gremien-Ausschlüsse braucht es transparente Kriterien für sicherheitsrelevante Funktionen – auf Basis objektiver Eignung, nicht politischer Etikettierung. Demokratie verteidigt sich am glaubwürdigsten durch Prinzipientreue, nicht durch Ausnahmezustände im Regelwerk.

 

Ein tragfähiger Schutzmechanismus, der das Prinzip der Repräsentation wahrt, könnte nicht in einer parteipolitisch motivierten Ausschlussregelung liegen, sondern in der Schärfung bestehender Verhaltens- und Transparenzpflichten, flankiert durch eine konsequente Anwendung parlamentarischer Ordnungsmaßnahmen. Denkbar wäre zudem die Einführung objektiver Eignungskriterien für bestimmte Gremienfunktionen, etwa sicherheitsrelevanter Ausschüsse, die nicht an politische Urteile, sondern an überprüfbare Voraussetzungen geknüpft sind – beispielsweise den Zugang zu Verschlusssachen gemäß Sicherheitsüberprüfungsgesetz. Solche Regelungen müssten gesetzlich verankert und verfassungsfest ausgestaltet sein, um nicht das freie Mandat auszuhöhlen, sondern die Arbeitsfähigkeit des Parlaments zu schützen, ohne dessen demokratische Grundstruktur zu beschädigen.

 

Ein verfassungskonformer Schutzmechanismus müsste auf gesetzlich normierte, objektiv überprüfbare Kriterien gestützt sein. Insbesondere bei sicherheitsrelevanten Gremien erscheint eine Anknüpfung an das Sicherheitsüberprüfungsgesetz (§ 1 SÜG ff.) sachgerecht. Ausschlüsse auf Grundlage politischer Mehrheitsurteile wären mit Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar. Eine differenzierte Regelung wäre nur im Rahmen formeller Gesetze und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit möglich. (siehe QUERVERWEISE:  AfD im Bundestag

 

Fazit

Die deutsche Politik steht vor der Aufgabe, einerseits die demokratische Repräsentation aller Wähler zu gewährleisten und andererseits zu verhindern, dass extremistische Gruppierungen ungehindert im Parlament agieren können. Eine Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der Geschäftsordnung des Bundestages könnte dazu beitragen, sensible Positionen vor unzulässigen Einflüssen zu schützen, ohne dabei grundlegende demokratische Prinzipien zu verletzen.

 

Die Erfahrung lehrt, dass in einer Demokratie immer wieder Kräfte nach Macht streben werden, die die Demokratie selbst mit demokratischen Mitteln untergraben wollen. Es ist unerlässlich, dem entgegenzuwirken. Die weitere Aufgabe besteht darin, über die aktuelle Legislaturperiode hinaus, sinnvolle Ordnungsstrukturen zu schaffen und professionell mit dem politischen Gegner zu verhandeln.

Bielefeld, 16. April 2025