Virtualisation 3.0
Netzwerke wie Facebook oder Amazon, zwei beispielhafte Seiten derselben Medaille, werden immer solche Nutzungs-Profile bei Neueinsteigern vorgeben, die einen, aus der Sicht des jeweiligen Anbieters, zumutbaren Kompromiss zwischen den Interessen des Unternehmens und den Leidensgrenzen des Großteils der zu erwartenden Klientel darstellen. Dem Gesetzgeber obliegt es, die minimalen Randbedingungen zu benennen, an denen sich Abnehmer und Anbieter alles in Allem einvernehmlich orientieren können. Was aber muss der Otto-Normal-Verbraucher wissen, können und/oder verstehen, um beispielsweise das Facebook-Nutzer-Profil einzurichten? Schon allein der erste Blick genügt um zu erkennen, dass dies eher einem Multiple-Choice-Test mit Hintergrund-Psychogram gleichkommt. Die schiere Masse von mehreren DIN-A-Seiten Umfang wird nur von den in Umfang und Inhalt völlig unzulänglichen Erklärungen übertroffen. Solche „Profil-Einstellungen“ versetzen den ungeschulten Anwender gleichsam in eine virtuelle Scheinwelt unzureichender Annahmen der Auswirkung eigener Handlungen. Ganz ohne Datenbrillen oder –handschuhe, aber wirksamer als jede noch so futuristische Vorlage. Diese Scheinwelten entstehen nicht durch psychotrope Medikamente und/oder Stimulationen von Wahrnehmungsrezeptoren. Das jeweilige Gehirn liefert, um der Unkenntnis zu entfliehen, einen ganzen Apparat von Meinungsbildungen, um das Geschehende als das Gewollte zu deuten. In alter Tradition? Nicht ganz, noch wissen wir alle nicht, wohin uns das als globales in Echtzeit empfundenes Ereignis führen wird. Nie zuvor hatten gewolltes Unwissen und mühsam erworbenes Wissen die Möglichkeit, sich gleichschnell zu verbreiten. „Welt am Draht“, usenet, Matrix, web 2.0 – sie alle sind mehr oder weniger alte Vorläufer, denn nun vernetzen sich Unternehmensnetze mit Beziehungsnetzwerken. Nur leider kann es mich gar nicht beruhigen, dass selbst Todfeinde immer mehr zu Freunden von Freunden werden, die Freunde eigener Freunde sind, auch und gerade dann wenn es (Geschäfts)freunde sind. Andererseits kommt es immer mehr zu persönlichen Begegnungen von Menschen, die sich in der Öffentlichkeit kaum näher gekommen wären. Die Grenzen von Charakteren, Mentalitäten und Ethnien weichen auf. Der Spiegel, der im Fremden steckt, wird mehr und mehr begrüßt denn gefürchtet. Ist dem wirklich so? Wenn nicht, bleibt die Hoffnung, die notwendige Richtung erkannt zu haben.
Bielefeld, 24.2.13
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