R. macht Kohle
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Horst Willenberg
Essen und Bielefeld
* 1954
Künstlerisch tätig seit 1968
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wird mitgeteilt, dass nicht alle

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Roland macht Kohle

 

„Dass es eine Gaunerei würde, wusste ich eigentlich recht schnell. Als Gauner wollte ich mich aber nicht fühlen. Es war kein Lawinenlotto oder Webseiten-Abo, dennoch… Ich muss wohl von vorne anfangen.

 

Ich hatte schon immer ein Faible für Menschenrechte, die Umwelt und so. Besonders Kinder in menschenverachtenden Ländern lagen mir am Herzen. Kein Wunder also, dass ich bei der Internet - Fragebogen-Aktion: Wie sehen Sie die Kinder dieser Welt – mit mehr als nur Neugierde mitmachte. Zugegeben, die Fragen erschienen mir nach kurzer Zeit äußerst unprofessionell. Aber aller Anfang ist schwer und man gibt ja auch gerne Starthilfe. Viel interessanter war, dass wenige Tage später eine E-Mail an mich eintraf, in der mir für die offenen und berührenden Antworten gedankt wurde. Man wolle meine knapp bemessene Zeit wirklich nicht beanspruchen. Aber wenn ich doch die eine oder andere Minute bereit wäre, für menschenfreundliche Zwecke einzusetzen…, natürlich gibt es auch eine durchaus respektable Entschädigung für allen Aufwand.

 

Die international agierende Organisation „Thanksgiving“, der Name sei eine Hommage an den Gründungstag, wäre erfreut, ein Angebot machen zu können, dass allen Beteiligten zum Vorteil gereiche. Diskretion wird zugesichert und vorausgesetzt. Wie ich ja wüsste, ist es gerade in den Ländern, in denen Kinder am stärksten Leiden, am schwersten, Hilfe vor Ort zu leisten. Geradezu himmelschreiend sei die Tatsache, dass ausgerechnet schnöder Mammon, ja Bargeld, am einfachsten sein Ziel erreiche und wirkungsvoll arbeite. Gerade das aber könne man im Sinne schneller Aktionen umsetzen.

 

Geld, das von Privatpersonen in meinem Land komme, von Menschen wie mir, ohne nachvollziehbare Verbindungen zu sozialen oder caritativen Netzwerken. Dieses Geld an Unternehmer des Ziellandes zu überweisen, die den Willen und die Macht besitzen, das Geld seiner Bestimmung zuzuführen wäre meine Aufgabe. Auf diesem Weg könne ich die erforderliche Hilfe ermöglichen. Gegen eine Aufwandsentschädigung (wegen der Steuer) und einem Honorar, wie es sich für jede anständige Leistung gehöre. Ich brauchte nur meine Kontodaten zu nennen. Im Laufe der Zeit kamen Emails, welche Beträge ich, abzüglich meines Salärs, wohin bzw. an wen überweisen solle. Nichts Kriminelles, denn den Bösen ein Schnippchen schlagen ist gut, und für die Kinder, das ist etwas Edles. Gut und edel fühlte ich mich also, bis, ja bis…“

„Ja, bis Dir wildfremde Leute die Wohnungstüre eingeschlagen haben und Deinen Computer zertrümmerten, um die Festplatte schnell rauszuholen. Bis dir K.O.-Tropfen eingeflößt wurden, nachdem man Dir klargemacht hat, dass die angeblich böse Tyrannenregierung nur eines will: Du sollst aufhören, die Geldwäsche für die im Untergrund agierende Opposition zu leisten, sonst sähest Du bald aus wie Deine Wohnung.“

 

Sabine ließ einen Blick durch mein Zimmer wandern, in dem quasi alles irgendwie zerschlitzt, zerrissen, zerstampft war – manchmal sogar alles auf einmal. Sie nahm ihren Laptop aus Ihrer Tasche und sprach, für meine Begriffe gefährlich gut gelaunt: „Gut, dass wir Schlüssel voneinander haben. Dann wollen wir mal Deine unrechtmäßigen Gewinne an ein seriöses Kinderhilfswerk überweisen. Solltest Du übrigens Deinen Gewinn behalten wollen, kann ich gerne die Polizei anrufen. Gefesselt ist das Telefonieren nicht einfach, ich weiß. Bin gespannt, wie die Geschichte Deines Wohnungszustandes sich dann anhören wird. Nein? Gut, dann nenne mir mal Deine Kontodaten, da bist Du ja wohl schon geübt drin.“