Spiegelkabinett
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Horst-Werner Willenberg
Essen und Bielefeld
* 1954
Künstlerisch tätig seit 1968
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Allein im Spiegelkabinett

 

„Der erste Schritt ist der Schwerste!“ In einem der jüngsten Interviews ließ Werner Vombusch keinen Zweifel zu, dass dieser einleitende Satz seines jüngsten Werks den selbstbiographischen Charakter seines neuesten Werks vorbereiten sollte. Der Prezensent muss zugeben, eine derartige Verquickung von sachbezogener technischer Dokumentation und psychologischem Selbstouting eines Autors bisher nicht erlebt zu haben. Und der Schreiber DIESER Zeilen droht für alle Lesenden sichtbar an dieser Parallelität zu scheitern.

Aber dennoch: Wohlan! Um eine der vielen Phrasen Vombusch´ s aufzugreifen.

 

Der Hauptdarsteller der Erzählung „Allein im Spiegelkabinett“ hat, wie viele andere beschlossen, im Internet eine Website aufzustellen, um seine Person, seine Meinung und seine Anliegen darzulegen. Natürlich hat er auch überprüft, ob es irgendwen interessiert und fragte die Abrufstatistiken seines Anbieters ab und war sehr zufrieden, dass mit leichten Schwankungen, eine monatliche Zunahme der Zugriffe verzeichnet wurde. Er war es jahrelang zufrieden, bis…ja bis er sich eine kommerzielle Teilnahme bei einer der großen KI´ s anschaffte und die Aufforderung formulierte: Analysiere, bewerte und kommentiere meine.website-im-internet.domain. Die Antwort, diese Webseiten seien nicht auffindbar, schockierten unseren Hauptdarsteller zutiefst. Und je tiefer er bohrte, zum Beispiel wieso seine Website in den verschiedensten Suchmaschinen in den Top-Five der Rankings auftaucht, umso depressiver stimmten ihn die Umstände. In der Erzählung stellt Werner Vombusch klar, dass die Recherchen des Hauptdarstellers keinesfalls die Ursache, sondern als Auslöser der eigenen Depressionen zu betrachten sind. Aber zurück zum (offensichtlichen) Erzählfaden.

 

Wir, die Lesenden, erfahren: Hier geht es nicht um Verschwörungen gegenüber einem Anwender oder ähnlichem, nein, die Suchmethoden stehen unter einem Überbau von Filtern, die über Bedeutsamkeiten entscheiden, unter anderem: „Wahrheits- und oder Faktengehalt“. Fokussiert im ausgeschriebenen Gedankengang des Hauptdarstellers: „Mir war ja klar, im Netz lebe ich in einer Meinungsblasenebne vielen anderen, je nach meiner aktuellen Aktion in unterschiedlichsten Zugehörigkeiten, aber dieses Spiegelkabinett, in dem jede Meinung ein neue Maske trägt, ist…“

 

An dieser Stelle scheint es mir angebracht, den Hauptdarsteller, die Lesenden und Werner Vombusch sich einander selbst zu überlassen, um für mich selbst zu überdenken, inwiefern die zunehmende Vernetzung und die dahinter hochkarätig agierende werbefinanzierte Finanzmathematik uns alle in selbstproduzierte Spiegelkabinette vereinzelt.

Vielleicht ist das eigentliche Drama, dass wir in Spiegeln leben, die wir selbst gebaut haben – und uns dennoch fremd darin vorkommen. In der digitalen Welt reflektieren wir uns selbst – bis wir uns nicht mehr erkennen. Die größte Einsamkeit entsteht nicht im Rückzug, sondern im Echo des Eigenen.

Bielefeld, 6.4.25/12.4.24

 

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